Echt jetzt – 3D-Daten im Goldschmiede-Handwerk?! War das nicht die letzte Bastion des „echten“ Handwerks? Ist diese Pixel-Schubserei überhaupt echtes Handwerk? Schmuck – aus dem Computer?
Ok. In BrittasSchmiede werden 3D-Daten seit 2014 regelmäßig benutzt. Der Glückskind-Schmuck basiert beispielsweise auf 3D-Daten. Dieser Schmuck ist vielleicht eine gute Möglichkeit um zu zeigen, wie 3D-Daten das Goldschmiede-Handwerk bereichern: Als ich die Ringe entworfen habe, da basierte die Idee tatsächlich auf ganz klassischen Bleistift-Skizzen.
Im nächsten Schritt habe ich die Ringe in Wachs geschnitzt. Auch das ist eine analoge Arbeitsweise. Ich war mit den Ergebnissen nie zufrieden. Wenn ein Baby zu dünne Ärmchen hat, oder das Gesichtchen etwas schräg ist, dann ist es sofort kein gesundes, süßes Baby mehr. Und ich habe bei der Schnitzerei so häufig die kleine Nase abgesäbelt – es war frustrierend.
Im Studium (Kommunikationsdesign) habe ich mit 3D-Daten gearbeitet, für Computeranimationen.
Es sind übrigens keine Pixel, die geschubst werden, es sind Gitternetze (Splines), die man hin- und her zieht. Ich habe Gitternetze konstruiert, Animationen erstellt und generell eine Idee davon bekommen, was man so mit 3D-Daten arbeiten kann. 3D-Programme für Schmuck waren damals in den Kinderschuhen, aber sensationell teuer. Ehrlich gesagt, ich habe das aus den Augen verloren. Die Schmuckbranche ist viel zu klein, um Neuerungen in die 3D-Programme einzubringen. Das waren in aller Regel die Animationsfilme. Haare, die im Wind wehen. Wellen, die sich naturnah bewegen. Aber Fassungen für Steine, die sich automatisch auf einem Ringradius verteilen? Das gab es nicht. Alle Neuerungen kamen erstmal aus anderen Bereichen.
Aber die Schmuckbranche hat nachgezogen –
und in der Zeit, in der ich an meinen Schnitzkünsten verzweifelte, gab es ein 3D-Programm für Schmuck, das – damals ganz neu – weiche (!) Konturen darstellen konnte. Der Kollege, der schon das Basis-Programm hatte und dem ich mein Leid klagte, meinte mit einem verschmitzten Grinsen, nun habe er den richtigen Anlass, um die neue Erweiterung zu kaufen. Was für ein Glück für mich!
So haben wir zusammen aus einer Kugel, die aus Gitternetzen bestand, ein Baby geformt. Bis heute ist er DER Mann, der aus meinen Skizzen die 3D-Daten erstellt. Ich habe eine grobe Idee was möglich ist und erstelle eine sinnvolle Skizze – er setzt sie um und erstellt die Daten.
Mittlerweile hat er sogar einen eigenen 3D-Drucker (ich weiß, es gibt Drucker in jedem Baumarkt, aber für die Schmuckbranche braucht es spezielle Resine und Drucker, die eine feine Oberfläche herstellen können. Im Baumarkt gibt es solche Drucker – zumindest zur Zeit – noch nicht).
Schmuck komplett aus 3D-Daten, oder auch als Ergänzung
Es gibt also die Möglichkeit den kompletten Schmuck in 3D-Daten zu erstellen, zu gießen und dann zu versäubern. Das bietet sich immer an, wenn Schmuck kleinteilig ist und sich dazu noch wiederholt. So wie bei dieser Kombination von einem Steuerrad und einem Anker. Beides sind aus 3D-Daten erstellt, in Rot- bzw. Gelbgold gegossen und dann montiert.
Der Anker wird mit zwei kleinen Stiften versehen, so dass die Position auf dem Steuerrad eindeutig ist. Ja, so ein Anhänger kann auch aus Wachs geschnitzt werden – aber wer will 12 identische Segmente (Steuerrad) im richtigen Abstand schnitzen 🙂 ?
Es gibt aber auch die Möglichkeit die neue Technik mit der traditionellen Technik zu kombinieren: Hier habe ich eine kleine Dose für Milchzähne herstellen dürfen. Das Herstellen von Bechern, Dosen oder Kannen ist eine Silberschmiede-Technik. Da bin ich raus, das kann ich nicht. Und dann noch in miniklein, da hört meine Kunst einfach auf. Aber die Dose skizziert, als 3D-Daten erstellen und gießen lassen, dann versäubert und Deckel und Dose verstiftet, das ist machbar.
Also fangen wir mal bei der ersten Skizze an. Diese Skizze war das Ergebnis des ausführlichen Gespräches mit der Kundschaft.
Wie gesagt, bei Gefässen bin ich raus, aber Figürliches in Silber erstellen, das geht sehr gut.
Das Projekt musste in zwei Teile geteilt werden. Die Dose wurde nach den Massen auf der Skizze mittels 3-D Programm erstellt. Dann wurde sie in Wachs gedruckt und dieses Model dann in Silber gegossen. Nun fehlt noch die Zahnfee.
Die Fee habe ich traditionell aus Wachs geschnitzt. Sie ist mit einen Stift versehen und so kann sie präzise auf dem Deckel angelötet werden.
Also eine perfekte Kombination aus alter Technik (Wachs schnitzen) und neuer Technik (Formen in 3-D erstellen, drucken und gießen).
Die Fee, mit dem Herzen in beiden Händen, bewacht ab jetzt alle Milchzähnchen. Eine traditionelle und eine moderne Technik gehen Hand in Hand. Das Ergebnis lässt sich sehen, oder?
Diese Möglichkeit beide Techniken zu kombinieren, die finde ich einfach klasse. Das Goldschmiede Handwerk ist immer mit der Zeit gegangen. Mein Meister hat mir gezeigt, wie Goldschmiede gebohrt haben, als es noch keinen Strom gab. Ja. Ich kann einen Bohrer für einen Dreul anschleifen. Wenn es hart auf hart kommt, bekomme ich ein Loch in mein Werkstück – ohne Strom. Aber es gibt doch keine ernsthafte Diskussion, ob das Handwerk noch Handwerk ist, seit es Strom gibt. Nun hat wieder mal eine neue Technologie Einzug in unser Handwerk gehalten. PUK und Laser, CNC und Hydrozon sind ja auch gekommen um zu bleiben.
Ich finde es super. Feilen kann und darf ich ja noch immer 😀
Noch ein kleiner Ausflug,
einfach, weil ich das gerne zeigen möchte:
Für alle, die schon viel von 3D-Druck gehört haben, aber keine so richtige Vorstellung haben, möchte ich eine ganz knappe Einführung geben (alle Profis dürfen das hier gerne überspringen).
Der Anfang besteht aus der CAD-Datenerstellung (CAD – Abkürzung für „Computer-aided Design“, computergestütztes Zeichnen/Konstruieren, Bsp.: oben der Anker.) Es gibt also eine Software. Z.B 3Design (Es gibt auch andere Lösungen, klar…) 3Design ist für Goldschmiede optimiert und ermöglicht es, mit der speziellen Zusatzoptionen 3Shaper auch organische Formen darzustellen.
Gut, aber wie werden die Daten zu etwas Realem? Da kommen wir jetzt zum 3D-Druck. Die in CAD erstellten Daten werden entweder in einem speziellen Resin (Kunststoff, oben zu sehen) oder in Solidscape Wachs gedruckt. Da gibt es verschiedene Vor- und Nachteile, das muss individuell entschieden werden. Der Druck von Wachs ergibt unfassbar detailscharfe Modelle. Die Kantenschärfe der Modelle ist dabei ein wichtiger Faktor. Alle Formen müssen präzise ausgedruckt werden können, da sie einer Nachbearbeitung Stand halten müssen. Es handelt sich also schon bei der Datenerstellung um eine Konstruktion, die ein sehr feines Gitter darstellen.
(Ausflug im Ausflug, sorry! Merke: Daten für den Druck sind anders aufgebaut als Daten für ein Rendering. Ein Rendering ist eine grafische Darstellung der Daten, hier also eine Visualisierung des Schmuckstückes. Einige Schmuckstücke im Internet bestehen aus geänderten Daten, das sind keine Fotografien oder Videos, das sind geränderte Daten. Vergleichbar ist das mit den Charaktere in 3D Animationsfilme (z.B. Avatar). Rendering-Daten sind aber nicht druckbar. Druckbare Daten ergeben häufig sehr seltsame Rendeings.)
Diese Konstruktionen werden dann an eine Firma gesandt, die auf Rapid Prototyping (schnelles erstellen von Prototypen) spezialisiert ist. Von dieser Firma wurde mir ein Foto zur Verfügung gestellt, dass einen solchen Wachsdruck zeigt.
Auf dem Foto (Quelle MPS) ist ein Drucker zu sehen, der Solidscape Wachs (blau) druckt. Der rosafarbene Wachs ist eine Stützkonstuktion, um die feinen Solidscape Strukturen zu stabilisieren.
Auf eine lange Frage folgte eine umständliche und lange Antwort. Aber ich hoffe, ich konnte die Faszination, die ich dieser Technik gegenüber empfinde, ein wenig nachvollziehbar machen. Wahrscheinlich ist der Text sehr bald – zumindest in Teilen – veraltet. Vielleicht ist es bald möglich auf wirtschaftliche Weise direkt in Gold zu drucken. Bisher scheitert eine wirtschaftliche Verwendung an der inhomogenen Partikelgröße der Goldpartikel.
Es bleibt spannend, finde ich 🙂
BrittasSchmiede hat ja sogar eine Auszeichung in Sachen Digitalisierung: