Wenn man aus unserem Küchenfenster schaut, dann sieht man die Straße. Das funktioniert natürlich auch andersherum: von der Straße kann man bei uns in die Küche gucken. Es ist warm, das Fenster ist offen und meine kleine Familie ist inmitten des Sonntagsmorgens-Chaos. Tischdecken? Nein! Dann kannst du auch nicht mitessen. Na gut… Wo ist die Butter? Wer füttert den Kater?
Wir hatten mit uns zu tun. Da ruft es durch das Fenster: „Britta, bist du da? Britta komm mal ans Fenster! Du mußt Miriam kennenlernen!“ Es war ein Bekannter und er stand auch gleich mit Miriam vor der Tür. Vermutlich hätte sie gerne selbst etwas gesagt, aber unser Bekannter war schneller. „Sie ist Goldschmiedin! Ihr müßt euch kennenlernen! Kann sie deine Werkstatt sehen?“ So ging das immer weiter. Zumindest kam es mir so vor. Wenn ich noch nicht gefrühstückt habe, dann bin ich leicht zu überfordern.
So fing das also an.
Miriam machte ein Praktikum bei mir. Sie ist nämlich noch nicht Goldschmiedin, sie lernte an der Zeichenakademie. Aber sie wollte lieber mit realen Kunden und mit richtigem Silber und Gold arbeiten. An der Zeichenakademie wird vorrangig mit Neusilber oder Messing gearbeitet und die Kundenaufträge werden durch Arbeitsproben ersetzt. Reparaturen gibt es natürlich nicht, das geht ja nicht. Aber es ist schon gescheit, wenn man als Goldschmied auch etwas reparieren kann
Ganz ehrlich: Ich wollte niemanden ausbilden. Meine kleine Werkstatt ist in einer Nische zu Hause. In „normalen“ Goldschmieden gibt es ein Schmucksortiment. Es gibt eine Kollektion. Und Kunden kommen wann sie wollen. Bei mir ist es besser, wenn man einen Termin vereinbart. Und gleich zu kaufen gibt es auch nichts. Alles wird angefertigt oder umgearbeitet. Schmuck bindet Emotionen. Es kann leicht sein, dass bei mir jemand sitzt und wir seinen Schmuck durchsehen und dann Tränen fließen. Die Brosche, die hatte die Mutter/Tante/Oma immer an. Man sieht die Brosche und zugleich auch die Mutter/Tante/Oma. Und genau diesen Schmuck liebe ich! Den baue ich gerne um, so dass die Geschichte der Mutter/Tante/Oma weitergeht – mit ihrer Tochter/Nichte/Enkelin. Aber das ist schon recht speziell. Miriam findet mein Konzept klasse. Sie kann richtig gut mit Menschen umgehen. Sie lässt sich von jemandem der emotional wird, nicht ins Bockshorn jagen. Dazu ist sie geschickt und gescheit. Also habe ich meine Meinung geändert. Miriam hat von der Schule zu mir in den Betrieb gewechselt – und jetzt machen WIR Schmuck.
Was so ein Ruf durch das offene Fenster am Sonntag vormittag nicht alles ändern kann!
P.S. Danke, Peter.